Was für ein schönes Leben unsere Hunde auf dem Dorf doch haben! Aus der Haustür raus und direkt im Grünen sein. Kein Verkehrslärm, kein Gestank und wenn man mal zwei andere Leute auf seiner Standard- Gassirunde trifft, ist das schon viel.
Und dennoch: die (Dorf-) Hunde regen sich über alltägliche Kleinigkeiten wie Türklingel und Telefon auf, eskalieren beim Anblick des Postautos oder dem Klappen einer Autotür, kläffen permanent an Zaun und Haustür, lassen Besucher nicht ins Haus, fürchten sich vor dem Spielmannszug und der Feuerwehr und, und, und. Mit anderen Worten sind unsere Dorfhunde mit Alltagsreizen überfordert und gestresst.
Stadthunde hingegen sind im Alltag meist so viel entspannter.
Da muss sich der Hundemensch doch fragen: wie kann das sein?! Ganz einfach: das tägliche Stadtleben bringt automatisch mehr Training in einer ablenkenden Umgebung mit sich: viele Geräusche, viele Hundebegegnungen, viele verschiedene Menschen jeden Alters, viele Gerüche usw.
Jeder Gassigang bringt neue Herausforderungen, die das Mensch- Hund- Team gemeinsam bewältigen, z.B. das Warten an einer viel befahrenen Straße bis der Mensch das „Go“ zum Weitergehen gibt; das gemeinsame Gehen durch eine Menschenmenge, bei dem der Hund sich vertrauensvoll an seinen Menschen hält; der gemeinsame Besuch des Lieblingscafes und vieles mehr.
Möchten wir, dass unsere (Dorf-) Hunde im Alltag gelassen bleiben, müssen unsere Hunde immer wieder trainieren, sich auch unter Ablenkung zu entspannen oder auf ihren Menschen zu konzentrieren.
Damit der Hund gechillt in der Ecke pennt beim nächsten Kindergeburtstag oder der Silvesterparty. Damit Türklingel und Telefon einfach ignoriert werden. Damit der gemeinsame Familienurlaub am Strand entspannt ist und Spaß macht.
Training ist wie Vokabeln lernen: es funktioniert nur bei regelmäßiger Wiederholung. Und nichts eignet sich besser zum Training unter Ablenkung als die Stadt. Auch für unsere Dorfhunde 😉
geschrieben von Anni
„Du solltest deinen Hund mehr bewegen, dann fühlt er sich deutlich wohler!“…Viele Hundemenschen haben diesen Satz wahrscheinlich schon öfter gehört. Vor allem wir Hundetrainer und die Tierärzte packen den Satz gerne mal aus. Zurecht.
Aber was hat es damit eigentlich auf sich? Und was bedeutet eigentlich Gassi gehen für unsere Vierbeiner?
Im echten Leben-wie wir immer so schön sagen- sind Hunde aus ganz anderen Gründen unterwegs. Sie sind zum Beispiel auf Nahrungssuche oder laufen ihr Revier ab um an wichtigen Stellen mal eine Markierung zu setzen. Sie laufen dabei oft große Gebiete ab, kehren dann wieder zu ihrem Zuhause zurück und ruhen. Wenn also ein Hund auf seinen eintönigen, gleichbleibenden Runden anfängt, jede Ecke und jeden Grashalm, Mauern, Ampeln, Bäume und Zäune zu markieren, dann wird dieser Job von Tag zu Tag stressiger-schließlich markieren ja auch andere Hunde an immer denselben Stellen. Das ist nicht der Sinn eines Spaziergangs und es macht keinen Spaß. Weder Hund noch Mensch. Es sollte vielmehr wertvolle, gemeinsame Zeit sein, in der der Hund sich natürlich auch lösen und „Zeitung lesen“ soll, die aber vor allen Dingen die Bindung zwischen Mensch und Hund nachhaltig stärkt! Also geht zügig, bleibt nicht jedes Mal stehen, wenn die Vierbeiner irgendwo schnuppern, macht gemeinsam mit euren Hunden Strecke und habt Spaß!
Übrigens markieren nicht nur Rüden, es gibt viele Hündinnen, die durchaus höher pinkeln können, als ihre männlichen Artgenossen :)
Was bedeutet es also, mit einem Hund spazieren zu gehen? Zu aller erst bedeutet es: „Das Handy bleibt in der Tasche“. Oder hättet ihr Lust an einer Leine vorweg zu laufen und einen Zombie hinter euch her zu ziehen, der von den schönen Pflanzen, Wolken, Wegen, Tieren und der gemeinsamen Zeit nahezu GAR NICHTS mitbekommt? Gefährlich ist es auch, wenn Straßen, andere Hunde, unsichere Menschen oder andere Tiere den Weg kreuzen.
Die Gassi-Runden sollten die Highlights des Tages sein, der Teil, bei dem Hunde einfach Hunde sein können und dürfen. Nämlich laufen, erkunden, neue Wege und Wälder kennen lernen, buddeln, andere Gerüche und Geräusche wahrnehmen und vor allem kostbare Zeit mit dem Menschen verbringen. Sicherlich wünschen Hunde sich oft, dass wir mal frei im Kopf sein können, um uns auf die schönen Dinge im Hier und Jetzt konzentrieren zu können. Eben genauso wie sie es auch tun. Den Moment und die gemeinsame Zeit genießen, ohne darüber nachzudenken, wie die nächste Rechnung bezahlt wird, was eingekauft werden muss und wann die Kinder abgeholt werden sollen…
Der nächste, nicht zu unterschätzende Faktor ist die Tatsache, dass Hunde Lauftiere sind und über Bewegung Aufregung und Stress los werden. Das bedeutet, dass sie sich nur vernünftig konzentrieren können und Spaß an der Arbeit mit ihren Menschen haben, wenn sie nicht zu viel angestaute Energie haben, die dann wie eine Bombe explodiert, sobald man das Haus verlässt. Nur ein Hund, der sich genug bewegen darf und nicht als Kuscheltier auf dem Sofa missbraucht wird, ist ein glücklicher, artgerecht gehaltener Hund. Diese Tatsache sollte einfach jedem Hundemenschen bewusst sein. Der eine Hund hat mehr Energie, der andere weniger. Klar ist der Alltag oft stressig, man hat Zeitdruck, das Wetter spielt nicht mit, ununterbrochen versucht man alles unter einen Hut zu bekommen. Was aber, wenn die Spaziergänge mit dem Hund als „tägliche Auszeit“ betrachtet werden könnten? Ein Traum. Gemeinsame Zeit, die alles andere in den Hintergrund stellt und dabei hilft, eine wunderschöne Bindung zum Hund aufbauen zu können und dabei auch noch in der Natur zu sein und Neues zu entdecken!
Aber wieviel Bewegung braucht denn nun ein Hund? Diese Frage zu beantworten ist durchaus schwierig. Alles in allem sollte ein ausgewachsener, gesunder Hund auf ca. 8 km am Tag kommen. Dabei ist nicht 4 Mal 2 km gemeint. Sondern im allerschönsten Fall 1x 8km und die anderen Runden sind kleinere Trainingsrunden, oder Runden zum „Zeitung lesen“.
Natürlich gibt es bei dieser Zahl Unterschiede von Hund zu Hund-nicht nur rassebedingt.
Euer Hund ist gerne schnell unterwegs? Beschäftigt euch mit dem Thema Fahrrad fahren. Die Vierbeiner lieben es in einem schönen, gemütlichen Trab neben ihren Menschen laufen zu können. Da müssen sie sich endlich mal nicht permanent bremsen und können ihr normales, artgerechtes Tempo laufen. Sie können die Nase in den Wind halten, auch mal zwischendurch „Vollgas“ geben (natürlich kontrolliert!) und sich die ganze Zeit an ihrem super tollen, coolen Menschen orientieren. Es macht einfach nur Spaß :)
Ihr seid euch unsicher, wie viel Bewegung euer Hund braucht oder wie ihr Fahrrad und Hund miteinander bekannt macht?
Sprecht uns einfach an, wir helfen euch gerne weiter.
Lange Rede, viel Sinn.
Geht mehr mit euren Hunden raus, denn nur ein ausgelasteter Hund ist ein glücklicher Hund.
geschrieben von unserer Jana
Oft sind wir fassungslos. Nahezu täglich. Wir sehen und betreuen viele verschiedene Hunde. Klein, groß, jung, alt, Reinrassige und Mischlinge jeder erdenklichen Gruppe, Inland- und Auslandshunde, Second Hand oder auch nicht. Und eins haben viele von ihnen gemeinsam. Sie sind respekt- und distanzlos, sie sind übergriffig und haben überhaupt kein Verständnis dafür, was es bedeutet eine Grenze anzunehmen. Mit brachialem Übermut ballern sie in einen rein, an einem vorbei, springen einen an, beißen in Klamotten, Futterbeutel, Schuhe, schneiden einem den Weg ab und kläffen bis die Stimmbänder nachlassen, fremde Gärten werden bepinkelt, Zäune, Laternen, jeder 3. Grashalm. Scharren darf natürlich nicht fehlen. Dass ein Türspalt keine Einladung ist wie eine Abrissbirne dort durchzurennen und einem dabei fast die Knie zu brechen… verstehen sie gar nicht.
Respekt hat absolut nichts mit Angst zu tun. Aber Respekt hat etwas mit Achtsamkeit zutun. Aufeinander Rücksicht zu nehmen, mal inne zu halten, den Gegenüber wahrzunehmen, sich zurück zu nehmen wenn es einem gesagt wird. Und das gilt für den quirligen Havaneser genau so wie für den Pitbull genau so wie für den Windhund oder den Straßenhund.
Keine Grenzen zu setzen und alles hinzunehmen ist Selbstbetrug und hilft niemandem. Denn niemand kann das aushalten. Niemand kann es wirklich gut gelaunt tolerieren wenn 30 kg Labrador oder 15 kg französische Bulldogge dich jeden Tag von A nach B zerren, aus dem Auto rausballern, dich anspringen, umreißen usw. Und selbst bei 5 kg halten wir es nicht aus. Weil es einfach nervt und stört und oft eben auch weh tut.
Wann genau ist das passiert? War vor 30 Jahren das Allheilmittel der Erziehung noch eine Zeitungsrolle und die meisten Hunde durften nicht ins Haus, vielleicht in die Waschküche. Es hat sich so vieles verbessert. Unsere Hunde Leben so viel schönere Leben, werden besser behandelt, besser umsorgt, besser beschäftigt. Wir gehen arbeiten, damit das Futter getreidefrei ist und das Hundebett orthopädisch. Spielzeug darf nicht fehlen, was der Hund oftmals zerstört, natürlich rammelt er das teure Sofakissen, denn die meisten Hunde dürfen, egal, wie schlecht sie sich benehmen, trotzdem mit aufs Sofa. Auch wenn der Mensch sich dann nicht mehr auf dem Sofa bewegen kann-der Hund schläft ja schließlich so schön. Auch dass der Hund niemanden ins Haus lässt, weder Familie, noch Bekannte- Handwerker gehen gar nicht. Der Postbote kann auch nur hoffen, dass der Briefkasten sich außerhalb des Grundstücks befindet, denn Post bringen gefällt dem Hund auch nicht.
Selbst wir Trainer sind anscheinend nur noch Ware, weit dem Hund unterstellt. Ob wir gebissen werden und dadurch verletzt und arbeitsunfähig sind, interessiert viele Menschen nicht mehr. Ist ja schließlich unser Job. Hauptsache der Hund wird weiterhin gestreichelt weil er atmet und darf sich auch weiterhin alles rausnehmen. Maßregeln? Auf keinen Fall!
Aber wo ist der Mittelweg? Warum haben so viele ihn nie gefunden?
Es ist ein Paradoxon. Will man doch nur nett sein, fällt es einem schwer Grenzen zu setzen, möchte man seinem Hund doch das beste und freieste Leben ermöglichen und am Ende ist es genau das Gegenteil. Es wird geschimpft und geflucht, gerissen und geruckt, die Hunde müssen ständig abgesichert sein, weil sie nicht ansprechbar sind und unkontrolliert sind. Paradox. Man wollte das eine und bekam das andere.
Grenzen schaffen Freiheit liebe Hundemenschen. Wir können es noch 100000 mal sagen. Und Grenzen setzen kann man lernen. Man muss. Es macht das Leben so viel entspannter und so viel leichter und lebenswerter. Und die Beziehung nimmt davon keinen Schaden, sondern verbessert sich sogar erheblich. Denn woher sollen sie es wissen, wenn es ihnen keiner erklärt? Woher sollen sie wissen, dass sie achtsam sein sollen, wenn wir es ihnen nie gesagt und nie gezeigt haben? Und wie gemein ist es eigentlich, ständig genervt zu sein und an unserem Gegenüber rumzumeckern, obwohl es einfach nur unsere fehlenden Grenzen sind?
Ein Artikel aus der Zeitschrift "test", Ausgabe 09/2022, S. 68
Wie lässt sich ein Hund im Alltag sinnvoll beschäftigen? Verhaltenstherapeutin Celina del Amo gibt Tipps fürs Welpen- und Erwachsenenalter.
Wie viel Bewegung brauchen Hunde?
Ein durchschnittlich gesunder Hund sollte sich mindestens zwei Stunden am Tag bewegen. Egal, ob große oder kleine Rasse. Einige Tierhalter denken, es reicht, den kleinen Hund einmal um den Block zu ziehen, aber das ist keine artgerechte Haltung. Am besten sollte das Tier auch regelmäßig frei laufen können. Das Bewegungsbild ist dann gesünder und natürlicher als wenn der Hund stets an der Leine geführt wird.
Mögen Hunde lieber Routine bei der Gassirunde oder Abwechslung?
Das hängt von Ihrer psychischen Verfassung ab. Viele gut sozialisierte Hunde freuen sich, neue Wege zu erkunden oder auf unbekannte Menschen und Hunde zu stoßen. Das ist für sie eine Bereicherung. Aber Hunden, die ein Angstproblem haben, tut man keinen Gefallen damit, sie jeden Tag in Hülle und Fülle mit neuen Reizen zu konfrontieren.
Sollten die Spaziergänge mit Welpen lieber kurz sein?
Nein, nur mal schnell für zehn Minuten rauszugehen, ist nicht sinnvoll. Natürlich sollten Welpen nicht mit zum Joggen oder neben dem Fahrrad herlaufen, aber man kann sich problemlos längere Zeit draußen mit Ihnen aufhalten. Wie bei kleinen Kindern sollten sie ausreichend toben können.
Es ist also gut, Welpen draußen an viele Reize heranzuführen?
Ja, es ist wichtig, dass junge Hunde viel kennenlernen, unterschiedliche Menschen, Kinder, Bus und Bahn oder auch Dinge wie Rollstühle und Rollatoren. So gewöhnen sie sich an viele Reize und haben später keine Angst vor Ihnen.
*Anmerkung von uns: Zerrspiele sind nicht für jeden Hund geeignet und sollten nur in Maßen gespielt werden!
Neben Gassirunden ist eine weitere Möglichkeit das Spielen. Wie wichtig ist das für den Hund?
Beim Spielen probieren sich Hunde aus und lernen etwas über ihre Fähigkeiten, etwa wie schnell und geschickt sie sind. Sie spielen aber nur, wenn sie sich wohl und sicher fühlen.
Heißt das, wenn ein Vierbeiner nicht gern spielt, geht es ihm nicht gut?
Solche Hunde fühlen sich oft unsicher. Häufig liegt das an ihren Vorerfahrungen. Waren sie als Welpe krank oder unterversorgt und hatten keine Gelegenheit, das Spielen zu lernen, dann toben sie später nicht so, wie man das von normal aufgezogenen Hunden kennt.
Welche Spiele sind generell sinnvoll?
Spiele, bei denen sich das Tier körperlich betätigt oder den Kopf anstrengen muss. Schön sind auch gemeinsame spielerische Aktivitäten, etwa wenn Hund und Halter beim Spaziergang einen großen Stein erklimmen. Zerrspiele mit einem Objekt eignen sich ebenfalls*. Wichtig ist, Regeln zu setzen. Zum Beispiel: Zähen berühren mich nicht, auch nicht am Ärmel oder Hosenbein. Wenn der Hund sich nicht daran hält, sollte man das Spiel sofort abbrechen.
Welche Spiele eignen sich für Hunde mit ausgeprägtem Jagdtrieb?
Sinnvoll sind Spiele dicht beim Menschen, etwa Zerrspiele* oder die Leckerli- Suche in unmittelbarer Umgebung des Halters. Weniger geeignet sind hingegen Spiele über eine größere Distanz wie Wurfspiele. Da haben Halter wenig Kontrolle. Wenn ein jagdfreudiger Hund zum Ball läuft und dabei ein Kaninchen entdeckt, kann es sein, dass er die Gelegenheit für einen Jagdausflug nutzt.
Hundesport wie Agility, Mantrailing und Dogdance ist beliebt. Zu Recht?
Ja, solche Sportarten trainieren Gehorsam und sind gut fürs Wohlbefinden des Tiers. Der Sport sollte zum Hund passen: Ein Mops mit Atemproblemen sollte eher Tricks lernen als zu rennen. Wichtig ist, in der Erziehung keinen Druck aufzubauen, sondern locker zu bleiben - dann macht ein gemeinsames Hobby Mensch und Hund besonders viel Spaß.